Aus gemalten und skizzierten Bildern von KlientInnen wurden Grundformen extrahiert und zu einer Zeichensprache verdichtet. Die einzelnen Zeichen sind auf insgesamt 37 Fokus-Karten festgehalten, aus denen KlientInnen auf verschiedene Weise eine Auswahl treffen können. Die abstrakten Zeichen stehen dabei für prototypische menschliche Grunderfahrungen. Sie sind aber auch vieldeutig und ermöglichen es daher den KlientInnen ihr ganz persönliches Erleben auf spielerische Weise zu verbildlichen und anschließend im Gespräch zu erklären. Das Karten-Set findet seit einigen Jahren Einsatz sowohl im Coaching als auch in der Psychotherapie.
Vermeidungs- und Annäherungs-Karten
„Bitte wählen Sie jeweils eine Karte aus, die einem Zustand oder einem Gefühl entspricht, das Sie vermeiden möchten. Und wählen Sie bitte auch eine Karte aus, die für Sie positiv anspricht, die für einen angestrebten Zustand oder ein erwünschtes Gefühl steht“.
Die zweite Karte wird rechts neben die erste Karte gelegt. Es entsteht ein Gespräch über den negativen und den positiven Pol und damit auch über das Hindernis, das den Übergang zum angestrebten Ziel erschwert.
Gelegentlich ist es aufschlussreich, die „negative Karte“ mit der „positiven“ zu vertauschen. Das was vermieden werden soll, wird so plötzlich zu einem Ziel. Aus der kognitiven Verhaltenstherapie ist bekannt, dass oft ein Zustand vermieden wird, der eigentlich eine Weiterentwicklung verspricht, der aber aus Angst vor dem Scheitern nicht realisiert wird. Es ist genau diese Erkenntnis, die durch das spielerische Vertauschen der Karten vermittelt werden kann. Häufig wird deutlich, dass KlientInnen in der Vergangenheit unangenehme Erfahrungen mit diesem negativen Pol gemacht haben, entsprechende Ängste davor entwickelt haben und daher diesen wesentlichen Teil ihrer Persönlichkeit verkümmern haben lassen, wie einen selten trainierten Muskel. Wenn er jetzt mit der entsprechenden Karte in der „Ziel-Position“ liegt, kann ein Anreiz geschaffen werden, sich noch einmal mit ihm auseinander zu setzen.
Die dritte Karte
Psychotherapie und Coaching zielen wesentlich auf Erkenntnisse zu den Ursachen eines Problems ab. Wichtig erscheint mir aber auch, dass neue Handlungsmöglichkeiten oder neue Sichtweisen erarbeitet werden. Hauptmerkmal der Handlung ist nach Aristoteles, dass sie Anfang, Mitte und Ende hat. In der Mitte findet der Übergang von A nach B statt. Sie ist die Zone der Veränderung, sei es durch Handlung oder einen Perspektiven-Wechsel.
Simuliert werden kann dieser Übergang durch die Auswahl einer dritten Karte: „Suchen Sie sich bitte jetzt eine 3. Karte heraus, die Ihnen helfen könnte, von A nach B zu kommen und legen Sie sie zwischen die beiden Karten, die bereits auf dem Tisch liegen. Erzählen Sie mir mehr darüber“. Alternativ können KlientInnen den Weg vom negativen zum positiven Pol auch mit einer kleinen Skizze verdeutlichen.
5 Karten erzählen die ganze Geschichte
Anfang, Mitte und Ende markieren nur das einfachste Gerüst einer Geschichte, eine sog. „minimal story“ (Gerald Price). Will man mehr Aspekte eines Veränderungsprozess kennen lernen, braucht es also weitere Stationen (Karten), wobei sich die Auswahl von insgesamt 5 Karten als gewinnbringendsten erwiesen haben.
„Bitte wählen Sie 5 Karten aus, die in irgendeiner Weise mit Ihrem Problem, Ihrem Konflikt oder Ihrem Anliegen zu tun haben.“ Es entwickelt sich ein Gespräch, in dem die KlientInnen mit Hilfe der ausgewählten Karten, verschiedene Aspekte ihres Themas erklären. Im nächsten Schritt wird er/sie dazu aufgefordert, die ausgewählten Karten in eine Reihenfolge zu legen, die vom „Problem“ zur „Lösung“ führt. Obwohl es sich ja, entsprechend der ursprünglichen Auswahl-Aufforderung, sämtlich um „Problem-Karten“ handelt, ist es den KlientInnen erstaunlicher Weise fast immer möglich aus dieser Auswahl eine Lösungsgeschichte zu legen. Die entsprechende Einsicht kann im nächsten Schritt weiter verankert werden, indem die KlientInnen nun dazu aufgefordert werden, mit Hilfe der in einer Reihe liegenden Karten eine kleine Geschichte zu erzählen. Sie beginnt mit der ersten Karte wie ein Märchen: „Es war einmal ein junger Mann, eine Abteilungsleiterin, eine berufstätige Mutter ….“.
5 Karten und ein Bild
Will man sich einen ersten Überblick über das Problem, den Konflikt von KlientInnen verschaffen, so hilft es oft enorm, das Malen eines Bildes anzuregen, etwa mit der Aufforderung: „Versuchen Sie doch einmal Ihren aktuellen Zustand oder Ihre aktuelle Situation in einem Bild darzustellen“. In diesem sog. Initial-Bild ist das Problem häufig auf sehr prägnante Weise eingefangen. Es erscheint aber auch festgebacken, scheinbar unlösbar. In meinen Seminaren vermittle ich verschiedene kunsttherapeutische Interventionen um dieses Problem-Standbild wieder in Bewegung zu versetzten um es einer Lösung zuzuführen. Eine Intervention ist die Arbeit mit den Fokus-Karten. Mit der gleichen Aufforderung wie oben, lasse ich die KlientInnen dann 5 Karten auswählen, die mit diesem gemalten Problem/Konflikt in irgendeiner Weise zu tun haben. Wiederum wird eine „Geschichte gelegt“, allerdings eine, die das gemalte Bild miteinschließt. Es bleibt den KlientInnen überlassen, ob dieses Bild am Anfang oder an irgendeiner Stelle zwischen den ausgewählten Karten zu liegen kommt.
Die Zufallskarte
Es kommt immer wieder vor, dass KlientInnen in der Therapie und im Coaching Lösungsmöglichkeiten für ihr Problem entwickeln und dann aber im Alltag auf eine gänzlich andere Herausforderung treffen, für die ihr Plan nicht mehr passend erscheint. Simuliert werden kann diese unbekannte Situation durch eine Zufallskarte.
„Ihre ausgewählten 5 Karten erzählen eine schöne Lösungsgeschichte. Im Leben passieren aber immer wieder Dinge, die nicht wirklich vorhersagbar sind. Ziehen Sie doch einmal blind aus dem Stapel der Karten eine weitere und legen Sie sie ans Ende der Reihe. Erzählen Sie jetzt noch einmal Ihre Geschichte und stellen Sie sich vor, dass dann „das“ (Zufallskarte) passiert. Wie reagieren Sie darauf? Erzählen Sie die Geschichte weiter“.